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Sind Teilchenbeschleuniger gefährlich?

Lise Korth (2CC) 01 Feb 2021


Anatoli Bugorski: The man who stuck his head inside a particle accelerator – so lautet die Überschrift des am 14. Februar 2020 auf der Website Amusing Planet veröffentlichten Artikels. Der Autor Kaushik Patowary griff hier auf ein bereits in die Jahre gekommenes Ereignis zurück: Seinen Kopf in einen Teilchenbeschleuniger zu stecken ist wahrlich keine gute Idee. Dies kann schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Ob ihr nun abergläubig seid oder nicht, der 13. Juli 1978 war ein Unglückstag, vor allem für den russischen Wissenschaftler Anatoli Bugorski.

Teilchenbeschleuniger des Institute for High Energy Physics in Protvino (Russland). Photo: Sergey Velichkin/TASS

An diesem schicksalhaften Tag machte der Teilchenbeschleuniger des Institute for High Energy Physics in Protvino, Russland, Probleme. Um diesen auf den Grund zu gehen, steckte Bugorski kurzerhand seinen Kopf in den Beschleuniger. Der Alarm war ausgefallen und Bugorski war sich nicht bewusst, dass der Teilchenbeschleuniger seiner Funktion, Protonen zu beschleunigen, noch nachging. Bugorski sagte später, er habe keinerlei Schmerzen gespürt, allerdings ein Licht heller als tausend Sonnen gesehen.

Anders als erwartet, beendete Bugorski ruhig seine Arbeit, machte sich säuberlich Notizen über den Vorfall und ging anschließend ins Bett. Erst als seine linke Gesichtshälfte über die Nacht anschwoll, begab sich der Wissenschaftler am nächsten Morgen ins Krankenhaus.

In einer Spezialklinik konnte schließlich festgestellt werden, was genau die Protonen angerichtet hatten. Überraschender Weise fielen die Folgeschäden relativ gering aus, in Anbetracht der über die Maβe tödlichen Dosis (2.000-3.000 Gy), dazu später mehr.

Anatoli Bugorski nach dem Unfall. Bildquelle: Amusing Planet

Der Protonenstrahl trat durch den Hinterkopf ein und durch den Nasenflügel wieder aus. Harmlos ist dies ganz sicher nicht: Die Protonen brannten sich regelrecht durch das Gehirn, die Nerven und das Gewebe. Glücklicherweise verletzten sie bei Anatoli Bugorski keine lebenswichtigen Organe und doch behielt der damals 36-jährige Folgeschäden: Aufgrund der unzähligen verletzten Nerven blieb Burgorskis linke Gesichtshälfte gelähmt, zudem verlor er auf dem linken Ohr sein Gehör und erleidet seitdem von Zeit zu Zeit epileptische Anfälle. Sein Verstand allerdings blieb ihm erhalten. Bugorski überlebte eine tödliche Dosis. Anders als beispielsweise bei dem Tschernobyl Vorfall war die radioaktive Einstrahlung in diesem Falle lokal begrenzt, d.h. sie traf nicht den gesamten Körper. Wie zuvor schon erwähnt, wurden demnach bei Burgorski keinerlei lebenswichtige Organe in Mitleidenschaft gezogen.

Was ist ein Teilchenbeschleuniger?

Ein Teilchenbeschleuniger kann folgendermaßen definiert werden:

Ein Teilchenbeschleuniger ist ein Gerät, in dem geladene Teilchen (z.B. Elementarteilchen, Atomkerne oder ionisierte Atome, Moleküle und Molekülbruchstücke) durch elektrische Felder auf große Geschwindigkeiten beschleunigt werden (…)

Protonen oder Elektronen werden zum Beispiel mit Hilfe eines elektrischen Feldes beschleunigt. Wichtig hierbei ist, dass die beschleunigten Teilchen Energie in Form von kinetischer Energie (Bewegungsenergie) haben. Diese entspricht meist einem Vielfachen der Ruheenergie d.h. der Energie, welche die Teilchen im Ruhezustand haben.

Treffen die beschleunigten Teilchen nun beispielsweise auf unsere Haut, finden hier augenblicklich komplizierte Wechselwirkungen statt. Die chemische Struktur des Gewebes wird regelrecht auf den Kopf gestellt. Durch Stoßprozesse werden Elektronen entweder komplett aus ihrem Molekülgitter herausgestoßen oder aber auf höhere Energieniveaus gehoben. Schlussendlich entstehen mehrere Energiequellen: Die zuvor hoch energetischen Teilchen verlieren Energie in Form von Wärme, dies bereits durch den Stoß, oder aber durch die zahlreichen Wechselwirkungen.

Kommen wir nun auf die Dosis zu sprechen…

Normalerweise gibt man ionisierende Strahlung in Bezug auf die Strahlenbelastung eines biologischen Organismus in Sievert (Sv) an. Ist der ganze Körper, wie beispielsweise bei dem Tschernobyl Vorfall, während einer gewissen Zeit radioaktiver Strahlung ausgesetzt, können bereits bei einer Dosis von 0,5 Sv leichte Auswirkungen wie Kopfschmerzen auftreten. Richtig gefährlich wird es ab einer Dosis von 6 Sv, die Sterblichkeitsrate beträgt hier 100%.

Eigentlich sind wir alle einer gewissen radioaktiven Strahlung ausgesetzt, sei es die kosmische oder die terrestrische (z.B. durch den progressiven Zerfall von chemischen Elementen). Die Dosis beträgt hier allerdings nur rund 0,0022 Sv pro Jahr. Der Jahresgrenzwert an Strahlenbelastung beträgt 0,02 Sv. Dies gilt beispielsweise für Piloten, da diese der kosmischen Strahlung durch das Fliegen stärker ausgesetzt sind.

Manchmal nutzt man als Einheit auch Gray (Gy), vor allem bei elektromagnetischer Strahlung (wie beispielsweise bei Photonen) oder Elektronenstrahlung. Hier gilt 1 Gy = 1 Sv. Im Fall von Anatoli Bugorskis betrug die Dosis rund 2.000-3.000 Gy. Allerdings war diese ja lokal begrenzt und doch … ausprobieren möchte man das nicht!


Quellen


Edited by Nick Aschman Last modified on 27-03-2023

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