Am 6. Februar dieses Jahres wurde das Unmögliche für die vierfache Mutter Jang Ji-sung möglich: Sie erlebte ihre verstorbene Tochter noch ein letztes Mal.
Jang Ji-sung verlor 2016 ihre siebenjährige Tochter wegen einer seltenen und unheilbaren Erkrankung. Von diesem niederschmetternden Ereignis an wurde Trauer ständiger Begleiter der liebenden Mutter. Ihr Traum: noch einen letzten glücklichen Moment mit ihrer Tochter Nayeon zu erleben. Die koreanische Fernsehshow "I Met You" erfüllte ihr diesen Wunsch und arbeitete acht Monate lang an einer virtuellen Version des jungen Mädchens. Am Tag des Geschehens wurde Jang Ji-sung mit einer VR-Brille sowie sensitiven Handschuhen ausgestattet und konnte in das für sie eigens erschaffene Paradies abtauchen. Nach der deutschen Zeitschrift Stern war dieses Zusammenkommen äußerst tränenreich und die Mutter konnte vor lauter Weinen kaum reden.
Schlüssel hierfür ist das sogenannte stereoskopische Sehen. Wir Menschen sind nicht ohne Grund mit zwei Augen zur Welt gekommen.
Der Seheindruck vom rechten Auge unterscheidet sich nämlich leicht von dem des linken Auges. Zwei leicht unterschiedliche Bilder entstehen, welche unser Gehirn zusammenbaut, etwa wie bei einem Puzzle. Dank dieses Zusammenführens können wir dreidimensional sehen, eigentlich nur eine optische Täuschung inszeniert von unserem Gehirn.
Dieses Phänomen ist nicht alleiniger Grund des räumlichen Sehens, gilt jedoch als Grundlage für die VR-Brille. Die VR Brille besteht aus zwei Displays, welche den jeweiligen Augen eine leicht abgeänderte Version (bezüglich der Winkel) des Bildes zeigen, die perfekte Illusion, vom Computer erschaffen. Unser Gehirn errechnet schließlich die räumliche Beschaffenheit und gibt uns das Gefühl dreidimensional zu sehen.
Wer hätte gedacht, dass eine derartige Erfindung eines Tages Träume erfüllen kann?
Nun ergibt sich allerdings die Frage, ob sich Trauer besser verarbeiten lässt, wenn man einen verstorbenen Menschen wiedersieht, oder dies gar kontraproduktiv ist, vor allem nach einer Zeitspanne von drei Jahren, wie in dem oben genannten Beispiel. Trauer gilt allgemein als natürlicher Prozess, welcher uns langsam und auf steinigem Pfad hilft, den Verlust zu akzeptieren.
Wir lernen unser Leben neu zu organisieren. Birgt die zuerst wie ein Wunder der Technik erscheinende Auferstehung eines verstorbenen Menschen nicht Gefahren? In dem oben genannten Beispiel konnte die Mutter ihre Tochter nur für kurze Zeit wiedersehen, danach ging ihr Leben weiter wie bisher, oder doch nicht? Immerhin wurde das möglicherweise bereits verarbeitete Erlebnis wieder geweckt und es fiel ihr schwerer denn je mit dem Verlust umzugehen...
Sollte man der Natur nicht freien Lauf lassen? Uns ist es unmöglich einen Menschen wieder gänzlich auferstehen zu lassen. Also müssen die Zurückbleibenden lernen, auch wenn es schmerzhaft ist, mit dem Verlust klarzukommen und ihr eigenes Leben weiterzuleben. Trauer ist ein natürlicher Prozess, sollte man es nicht dabei belassen?
Und doch, es ist ein Wunder der Technik, ganz ohne Frage!
Titelbild: pixabay.com
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